Zurück im Winter

Februar 21, 2010

Nun sind wir schon 5 Wochen wieder hier: Schnee schippen, Glatteisfahrten, Winterspaziergänge. Indien scheint schon lange vergangen, wäre da nicht die Munderfrischungsmischung aus Anissamen mit Minikandis auf dem Tisch, wären da nicht diverse Gespräche und Bilderabende gewesen. So wollen wir heute auch noch unsern blog mit den schönsten Bildern aus Indien versehen.

Wichtig waren uns vor allem aber auch Gespräche mit den Menschen hier in Deutschland, denen das Amgaonkrankenhaus am Herzen liegt. Mit dem Direktor der Gossnermission trafen wir uns im frostigen Berlin zu einem langen intensiven Gespräch über das Hospital und seine Zukunft und anschließend fuhren wir noch zu der Gründerin des Krankenhauses, Schwester Ilse Martin, die mit 91 Jahren noch rüstig und fit ist. Es war eindrucksvoll zu hören, wie   sie ihre Idee der Überseearbeit trotz widriger Umstände umsetzte und wie die Arbeitsbedingungen in Indien vor 40 Jahren waren: Zeugin einer Zeit der Langsamkeit mit Schiffspassagen statt Luftreisen, mit Fahradkurieren statt Mobiltelefonen.

Der Kontakt zu Indien per Telefon und email besteht und die ersten Änderungen im Krankenhaus sind bereits angepackt worden: Die Dorfgesundheitsarbeit wurde begonnen und Dr. Horo hat direkten email-Kontakt zur weiten Welt und auch zu uns. Die Rechenschaftsberichte, die wir mitgebracht haben, führten zu den fälligen Geldzuwendungen und die Diskussion über Strukturveränderungen im Management des Krankenhauses hat eingesetzt.

Verschneite Skulptur an unserer Einfahrt

Für uns ist wieder Alltag in Deutschland – aber die Erinnerungen bereichern unser Leben. Schön, dass Ihr an unsern Erlebnissen teilgenommen habt.

Namaskar – Tschüß

Enno und Marianne

Traumhaftes Taj Mahal – Alptraum Laerm und Abgase

Januar 7, 2010

Das Neue Jahr hat uns einen fulminanten Abschluss unserer Reise gebracht: Zunaechst eine Nachtfahrt, die statt um 8 erst um 18:00 Uhr endete – nach bislang immer puenktlichen Zuegen war das bedingt durch mehrere Zugunfaelle und starkem Nebel in der Gangesebene. So mussten wir Plaene aendern, Hotels umbuchen, neue Zuege heraussuchen, was hier aber kommunikationsmaessig per Englisch kein Problem ist.

Problematisch hingegen unsere Definition von Nachtruhe! Hotels sind hier extrem luftig, d,h, leider z. Zt. kalt und vor allem hellhoerig gebaut – oft um einen innenliegenden Hof, viel Fliesen, keine Teppiche und nicht schliessende Fenster. So dringt der Strassenlaerm, wie auch Gespraeche etc. der Hotelgaeste ziemlich ungefiltert zu uns. Meist ist ab Mitternacht Ruhe, aber wenn nebenan eine Hochzeit steigt, dauerts auch mal bis halb 4 Uhr morgens bis man eine Muetze Schlaf bekommt! Kommentar eines netten indischen Arztes, den wir heute noch in Delhi im Zusammenhang mit unserer Krankenhaus-Mission interviewten: „Als ich mal in Irland war hatte ich tuechtig Heimweh – weil alles dort so ruhig war!“

Taj Mahal am Yamunafluss im Morgendunst

Nach dem auf der Bahn verlorenen Tag genossen wir das Taj Mahal in Agra: Im vormittaeglichen Dunst fast traumhafter als im gleissenden Sonnenlicht – und vor allem beeindruckend durch die wunderbare, kunsthandwerkliche Arbeit der ins Marmor eingelegten bunten Steinintarsien! Auch die Dimension der Anlage mit Seitenmoscheen, Vorhof, gepflegtem Park und dem vorbeifliessendem Fluss ist auf den ja weltweit bekannten Ansichten nicht zu erfassen. Als seine Lieblingsfrau mit 38 Jahren bei der Geburt des 14. Kindes starb erbaute der Mogul von Agra aus Liebe das Mausoleum, wurde aber bald danach – bevor er ein aehnliches Gebaeude in schwarz fuer sich selbst bauen lassen konnte – von seinem Sohn abgesetzt und in Sichtweite des Taj Mahal im roten Fort von Agra unter Arrest gestellt.

Jantar Mantar, Sternwarte von 1730 in Jaipur

Dieses Fort mit seinen Palaesten haben wir auch noch besichtigt, bis es mit dem Ueberlandbus nach Jaipur ging: Auch dies wieder eine Riesenstadt (4 Millionen) und Hauptstadt des flaechenmaessig zweitgroesseten indischen Bundeslandes Rajasthan. Die Stadt wurde im 18. Jahrhundert vom lokalen hinduistischen Fuerstengeschlecht gegruendet, das bis heute hier ansaessig ist und einige Palaeste verwaltet. Wunderbare Palaeste aus verschiedenen Jahrhunderten sind erhalten, weil die Familie es immer verstand, sich durch die richtigen Buendnisse z.B. mit den islamischen Moguln von Agra bzw. Delhi und spaeter mit den Englaendern und auch mit der Unabhaenigkeitsbewegung zu arrangieren. Zu ihren groessten Errungenschaften gehoert auch das Errichten von einer Sternwarte von Fussballfeldgroesse mit turmhohen Messgeraeten im 18. Jahrhundert und die erfolgreiche Teilnahme eines Maharajas an der Poloweltmeisterschaft! Der jetzige Maharaja lebt in seinem wunderbaren Stadtpalast lebt von seinem Vermoegen und den auch den Touristen.

Von Jaipur brachte uns ein Nachmittagszug durch gruene Landschaften nach Delhi zurueck, wo wir uns nach unruhiger Nacht heute einige weitere Zeugnisse der indischen islamischen Vergangenheit angeschaut haben. Immerhin regierten von Delhi aus Sultane und Moguln über weite Teile Nordindiens von ca. 1195 bis kurz vor dem Einzug der Briten etwa1780.

Die 15-Millionen-Hauptstadt zeigt verschiedene Gesichter: Alt-Delhi mit einem grossen Fort im 16. Jahrhundert vom Taj-Mahal-Erbauer Schah Jahan angelegt mit kleinen Basaren und Gassen und suedlich angrenzend Neu-Delhi, Anfang des 20. Jahrhunderts von den Briten mit breiten Avenuen und Prachtbauten und viel Gruen dazwischen angelegt. Hier finden sich die aeltesten Bauwerke – Mausoleen und Moscheen aus Vorlaeuferstaedten von Delhi – und auch der beeindruckende neue Lotustembel der Bahais. Das weltweit meistbesuchte Andachthaus in Delhi erinnert im Stil an die Oper von Sydney. Der Bahaiismus ist eine friedliche, aus Persien stammende Religion, die juedische, buddhistische, christliche und islamische Wurzeln vereint.

Das lange und fruchtbare Gespraech mit Dr. Santosh Thomas ueber die Situation christlicher Krankenhaeuser speziell im laendlichen Indien wird uns in unserer Einschaetzung zum Amgaon-Krankenhaus helfen: Eine sachkundige Verwaltung und die Einbettung in ein funktionierendes medizinisches Netzwerk sind unabdingbar fuer das Ueberleben des Dschungel-Krankenhauses.

Leider fehlt uns hier die Moeglichkeit, Bilder einzustreuen, aber das werden wir in Deutschland nachholen. Noch ein Tag Delhi und dann eine Nacht im Flieger! Am Samstag mittag sind wir, so Gott will, wieder in OL!

Bis Bald,

Marianne und Enno

P.S.: Ein paar Bilder sind jetzt drin, wie ihr seht!

Varanasi – Welcome 2010

Januar 1, 2010

Indiens heilige Stadt am Ganges zieht sich kilometerlang am Fluss entlang. Das gesamte hohe Westufer des Flusses, der in der kalten Trockenzeit immer noch elbbreit traege dahinfliesst, wird von Tempeln, Palaesten und Herbergen gebildet, die sich ueber Treppen zum Ganges hinunterziehen und zur Zeit oft im Flussmatsch enden. Zur Monsunzeit im Juni steigt der Wasserspiegel um gute 15 Meter und das Wasser reicht an und ueber die obersten Treppenstufen hinaus, wie auch ueber die zur Zeit endlos weiten Sandbaenke am gegenueberliegendem Ufer.

Zeremonie zu Ehren Mutter Ganges

Auf den Ufertreppen (Ghats genannt) beten Brahmanen(Priester), meditieren Yogis, zelebrieren Priester und Glaeubige farbenfrohe, weihrauchschwangere Rituale zu Ehren ihrer Goetter und Mutter Ganges, verbrennen dazu ernannte Maenner kostbar drapierte Leichen im Beisein derer Angehoerige nach Hinduritual auf kleinen Scheiterhaufen, heilige Maenner in weiss oder auch kaum bekleidet und mit Asche bemalt (Sadhus) belehren ihre Juenger oder sammeln Spenden. In diesem Gewimmel werden auch noch Bootsfahrten, Fuehrungen, Haschisch, Geldwechsel und kleine Tonschalen mit Blueten und Kerze zum naechtlichen Aussetzen im Fluss angeboten – da kommen wir schon mal an unsere Grenzen.

Wir haben das ganze interessiert durchwandert und uns viel von Parween, einem 19-jaehrigen Studenten und selbsternannten Fuehrer, erlaeutern lassen. Auch einige groessere, sehr verschiedene Hindutempel haben wir besucht: Alle haben im Zentrum Statuen der in ihnen angebeteten Goetter: Zum Beispiel Vischnu, der Weltorganisierer, Shiva, der Weltzerstoerer, der andererseits auch den Ganges in menschlich beherrschbare Bahnen lenkt, oder Parvati, seine Frau, die aber manchmal auch in einer anderen Inkarnaton als Kali, die Zerstoererin daherkommt und besonders in Kalkutta (=Kalighat=Kalis Ufer) verehrt wird. Es gibt also eine Vielzahl von Goettern, die jeweils auch noch mehrfach in anderer Gestalt, mit andern Eigenschaften und natuerlich mit anderem Namen wiedergeboren wurden, so dass die griechische Goetterwelt und die christliche Gemeinschaft der Heiligen als im Vergleich uebersichtliche Kleingruppen erscheinen.

Heilige Pilger mit Elefant

Nicht jeden Tempel darf man besuchen, in den von uns besuchten ging es im Innern recht laut und archaisch zu: Glocken werden schrill gelaeutet, Trommeln droehnen, Menschen toenen laut, was sich ueber einige Minuten zu einem Hoehepunkt steigert, dann zusammenfaellt und von neuem beginnt. Andere Glaeubige meditieren, lesen leise Gebete oder verharren kurz an Seitenkapellen mit andern Goetterstatuen oder dem Grundsymbol, dem Lingam (einem kombiniertem Phallus-Vagina-Symbol). Wir sind weit davon entfernt, diese Religion zu verstehen und spueren nur staunend die spirituelle Ernsthaftigkeit vieler Menschen in diesem ganzen Trubel.

Wie vielseitig die Religion ist, empfanden wir in dem Tempel der hiesigen Benares-Hindu-Universitaet, die von indischen Nationalisten in den 1920’er Jahren gegruendet wurde: In der griechischen Tempeln aehnlichen, licht- und luftdurchfluteten Anlage in einem sauberen Park mit vielen Blumen waren sehr viele Inschriften aus den alten heiligen Sanskritschriften mit Weisheiten und Lebensregeln auch in Englisch zu lesen, die wir als Christen meistens auch teilen koennen.

Heute waren wir in einem Vorort Varanassis, wo es bedeutende buddhistische Tempel gibt, weil Buddha hier seine erste Predigt nach seiner Erleuchtung hielt. Orangegekleidete Pilger meist aus anderen asiatischen Laendern neben indischen Touristen praegten hier das Bild. In einem islamisch gepraegten Stadtviertel, in dem Seide verarbeitet wird, besichtigten wir noch eine Seidenmanufaktur (und kauften nur ganz wenig!), um dann an einer Kirche vorbei zum Ganges und ueber die Treppenpromenade zu unserm Hotel zu wandern.

Am Sylvesterabend konnten wir zunaechst ein Hinduritual am Gangesufer (Motto: Bye-bye 2009; Welcome 2010) bei Vollmond geniessen, haben dann bei indischer Musik mit getanzten Erzaehlungen lecker gegessen und sind anschliessend mit indischer-Welt-Disco ins Neue Jahr gerutscht.

Wir wuenschen Euch allen ein gesegnetes Neues Jahr 2010!

Menschen ueber Menschen

Dezember 31, 2009

Geschaetzte 16 Millionen in Kolkata, wie Indiens zweitgroesste Stadt Kalkutta hier genannt wird, bevoelkern die Ufer des Hoogly, des groesseten Arms des Gangesdeltas. Zunaechst kommt die ehemalige Hauptstadt (bis ca. 1920) der ehemaligen britischen Kolonie ganz weltstaedtisch daher: Breite Boulevards, grosse Parks mitten in der Stadt, Metro, Verkehrstau ohne Ende, Hochhaeuser, Riesenbahnhof voller Menschen und mit ca. 25 Gleisen usw.

Doch die Besonderheiten werden schnell deutlich: Im Verkehrsdschungel vor allem Taxis, Autorikschas (eine Art Motorroller mit 2 Hinterraedern) Fahrradrikschas und von Menschen gezogene Rikschas. Am Rand der grossen Strassen viele Buden und in den Nebenstrassen Laedchen an Laedchen: Lebensmittel, Klamotten, Autoteile werden verkauft, Speisen gebrutzelt, Haare geschnitten und Handys repariert. Dazwischen massenhaft Fussgaenger vom Geschaeftsmann bis zum armen Mann, mobile Saft- und Obstverkaufer und auch Bettler. Besonders faszinierend fuer mich die College Street: Hier – um einige Universitaeten herum – haben sich hunderte(!)von kleinen und groesseren Buchhaendlern niedergelassen und verkaufen alle moeglichen Buchspezialitaeten,

Die Bettler sind zwar nicht sehr aufdringlich, wenn man sie ignoriert, aber wenn eine heruntergekommene Mutter ihren Saeugling zeigt, oder ein Mann auf sein amputiertes Bein weist, faellt es schwer dem Rat der Einheimischen zu folgen, die meinen, dass das Bettelhandwerk nicht unterstuetzt werden sollte und es auch fuer diese Menschen Hilfsprogramme durch Regierung, Tempel, Moscheen und Kirchen sowie andere Verdienstmoeglichkeiten gibt.

Marktstaende, Laeden und Laedchen, unser Hotel und auch die Polizei haben alle viel Personal, was vielleicht nicht so produktiv, aber sozial sinnvoll ist. Der Lohn ist zwar gering, aber die Preise auch sehr niedrig: Eine einfache Mahlzeit auf der Strasse kostet etwa 60, eine Busfahrt 4 Eurocent. Das Monatseinkommen einer Krankenschwester betraegt knapp 500 Euro, eines angestellten Arztes etwa 900 Euro wobei nach Feierabend privat noch dazuverdient wird. Ein Mittelklasse-Inder, dessen Schwester in Deutschland Aerztin ist, wo er sie auch schon besuchte, beantwortete uns die Frage, wo e r sich das Leben leichter vorstelle, ueberraschend mit: Indien, da werde weniger hart gearbeitet und irgendwie komme man immer noch durch!

Dennoch ist es fuer uns manchmal unertraeglich zu sehen, wie manche Menschen in Bruchbuden hausen, unter Planen auf dem Buergersteig naechtigen oder sich auf einem Muellfeuerchen etwas Essen waermen. Dabei haben wir die grossen Slums wo u.a. Millionen von Fluechtlingen aus dem benachbarten Bangladesch hausen, nur aus der Ferne gesehen. Viele von ihnen sind Mohammedaner – im hinduistischen Indien weiteres Konfliktpotential.

Wir erleben die Menschen hier trotz allem friedfertig. Im Verkehr geht es zwar nicht zimperlich und mit viel Gehupe voran, aber es wird kaum geflucht und im letzten Moment gebremst und ausgewichen. Unterwegs wird ueberall gerne der Weg gezeigt, gefragt wo man her kommt und ob es einem in Indien gefaellt: Die Inder gefallen uns durchweg, die Umstaende (sprich Dreck) in vielen Ecken deutlich weniger!

Jaintempel in Kalkutta

Da war der Besuch eines Tempelkomplexes der Jain ein wohltuendes Erlebnis: Ein Anhaenger dieser dem Buddhismus verwandten Religion fuehrte uns durch die blumengeschmueckten Anlagen und die reich verzierten Tempel. Die Sauberkeit und Friedlichkeit dieses Ortes beeindruckten uns: Die Jains leben voellig gewaltlos, was bedeutet, dass sie Vegetarier sind und nicht einmal Knollen und Wurzeln, die der Erde entrissen werden, essen.

Mit diesem friedlichen Bild schliessen wir fuer dieses Jahr und wuenschen euch allen einen guten Rutsch in ein gesundes Neues Jahr.

Marianne und Enno

P.S. : Inzwischen sind wir mit dem Nachtzug in Varanasi am Ganges, der heiligsten Hindustadt, angekommen und berichten bei naechster Gelegenheit weiter

Kaelterekord in Kalkutta

Dezember 28, 2009

Nach einer Familienweihnachtsfeier mit der Grossfamilie und Nachbarschaft unseres Dschungeldoktors in Ranchi mit allerlei Gesangs- und Theaterauffuehrungen samt Predigt, Essen und anschliessendem Tanz gings am 26. 12. abends mit dem Liegewagen nach Kalkutta: Wir fuhren 2. Klasse, darin sind wie in Deutschland 6 Betten, aber anders als bei uns keine Tuer sondern nur ein Vorhang und auf der andern Seite des Gangs weitere 2 Liegen – die Zuege sind hier deutlich breiter!

Da hier zwar die Christen eine verschwindende Minderheit sind, aber Weihnachten und Neujahr schulfrei ist, reisen viele Inder zu Verwandten oder begeben sich sonst auf Kurzreisen. So hatten wir Glueck noch ueber eine Warteliste einen Platz zu bekommen. Das Aufrutschen auf der Warteliste kann man im Internet nachverfolgen, letztlich ist aber draussen, neben der Waggontuer, noch ein Zettel aufgeklebt mit Namen und Alter der jeweiligen Platzinhaber.

Im Zug geht alles sehr gesittet zu, man bekommt eine saubere Wolldecke und frischgewaschene eingeschweisste Bettlaken und kann auf den weichen Liegen gemuetlich Platz nehmen. Marianne musste leider in ein anderes Abteil, waehrend ich mit irgendwelchen Begleitschutzsoldaten, die mir gegenueber mit Gewehr zwischen den Knien Platz nahmen, das Abteil teilte und entsprechend sicher schlief! Durch die Vorhaenge hoert man natuerlich, wer schnarcht und wer durch den Gang geht, aber wir haben gut geschlafen bis wir mit Sonnenaufgang ueber den dunstigen Vorortgleisen in Kalkutta einliefen.

Geschäftiges Strassenleben

Da wir mit Familie Horo, unsern Dschungeldoktoren, die sich in Kalkutta auskennen, ihrem 5- jaehrigen Sohn Ayus und der 7-jaehrigen Tochter Sejal unterwegs sind, hatten wir keine grossen Probleme mit einem der vielen gelb-orangen Taxis zu unserm Hotel in einem zentralen Mittelklassestadtteil zu finden.

Inzwischen haben wir schon einiges erkundet und werden demnaechst weiter berichten: Es gibt hier viel Dreck ud viele arme Leute. Aber sie sind irgendwie akzeptiert und z.B. die Leute die Rikschas ziehen, haben durchaus ihre Wuerde. Wir fuehlen uns auf der Strasse auch keineswegs bedroht, auch wenn wir alleine unterwegs sind.

Jetzt sitze ich in einem etwa 15 Quadratmeter grossen Internet cafe an einem der 12 Computer, um Euch unsere Abenteuer zu berichten, wober hinter mir Dr. Horo noch Bilder von unserer Digitalkamera ausdruckt und irgendwo auch noch kopiert wird. Links neben mir sind 2 Computerfreunde an einem PC, einer hat seinen Ellenbogen direkt an meinem Ohr: es geht halt etwas enger zu hier! Draussen schaut man auf einen geraumigen Hinterhof mit 4-stoeckigen viktorianischen Wohnblocks, an denen wie fast ueberall hier seitdem ungehindert der Wurm der Zeit nagt, von der nahen Strasse dauerhupt der Verkehr.

Heutige Schlagzeile der Calcutta Times: siehe oben! Letzte Nacht waren es 10 Grad Celsius! Tags ist es etwa 25 Grad und es laesst sich gut aushalten!

Stille Nacht, Heilige Nacht auf Hindi

Dezember 26, 2009

Weihnachten das erste Mal ohne unsere eigene Familie ist komisch – der schoene telefonische Kontakt ersetzt nicht die Familienverbundenheit! Wir haben mit neuen Freunden gefeiert: Mit Idan, einer Pastorin der hiesigen lutherischen Gossnerkirche, und ihrem Mann Alex, der aus Berlin stammt und hier einige Projekte koordiniert. Sie erwarten ein Kind in den ersten Januarwochen, dass Idan doch etliche Beschwerden bereitet. Mit ihrem deutschen Freund Sebastian haben wir dann doch ein bisschen Marzipan und Schokoladenkrigel geknabbert. Das Singen haben wir in der Kirche erlebt: Wir auf deutsch, die knackevolle Kirche auf Hindi! Anbei ein kleines Bild.

Die Kirche und ihre Umgebung war mit bunten Girlanden und blinkenden Lichtergirlanden geschmueckt, viele Gemeindemitglieder nahmen draussen unter Zeltplanen per Videouebertragung am Gottesdienst teil. Nur das unveraenderte Dauerhupen des auf der Hauptstrasse unvermindert weiterfliessenden Verkehrs erinnert daran, dass die Christen nur eine Minderheit sind.

Im Anschluss hatten wir noch die Ehre, dem Moderator, so heisst hier der Oberhirte der Kirche, und seinem Generalsekretaer bei einem Essen unsere Eindruecke zu ihrem Krankenhaus mitzuteilen, bevoer wir in kleinem Kreise (siehe oben) und mit Telefonaten nach Deutschland den Weihnachtsabend beendeten und bei einstelligen Aussentemperaturen (ohne Heizung in der Wohnung!) gerne unter eine warme Decke schluepften.

Von Ranchi nach Amgaon

Dezember 23, 2009

Wer jemals dieses harmonische Durcheinander von vorzeitlichen Ochsenkarren, Jeeps, Bussen, LKWs, Motorraedern, Fahrraedern und Rikschas, aufgelockert durch versprenkelt eingestreute Fussgaenger erlebt hat, fragt sich, warum wir Verkehrszeichen und eine StVO brauchen. Verkehr funktioniert hier ausschliesslich mit sehr viel Umsicht, vorausschauendem Fahren und ebensolcher Ruecksichtnahme.

Unsere Fahrt nach Amgaon fuehrte uns in 8 Stunden durch geschaeftige Doerfer, vibierende Staedte, Waldgebiete und fruchtbares Ackerland. Jetzt sind wir hier auf dem Krankenhausgelaende mit Blick auf den Brahmuni Fluss untergebracht und schlafen auf massiven Hartholzdielen, die auch den allgegenwaertigen Termiten Paroli bieten. Weil wir jeden Tag so viele neue Eindruecke sammeln und ordnen muessen, schlafen wir trotzdem wie Babys. Verpflegt werden wir bestens vom indischen Doktorehepaar, die im Nachbarhaus residieren. Es gibt viel Gemuese mit Reis und verschiedene Arten von Fladen, dazu obligatorisch Dhal, eine Art Kichererbsenbrei. Gewuerzt wird viel mit Koriandergruen, “turmeric” und Kummin. Trinkwasser wird gefiltert und abgekocht, so dass wir bisher von Durchfall verschont geblieben sind.

Amgaon, zu Deutsch Mangodorf, vor 4 Generationen noch ein “Koenigsdorf”, gruppiert sich um einen Festplatz und besteht aus etwa 100 Haushalten, mehrheitlich als Mehrgenerationenhaus gelebt. Die Familien haben durchschnittlich 3 Kinder – vielfach kuemmern sich die Vaeter um die Kleinen, sei es im Krankenhaus oder auf der Strasse.
Kuehe, Wasserbueffel und Ziegen tragen neben dem Reisanbau zum Unterhalt bei. Einmal waren wir bei einem pensionierten Landwirtschaftsberater, dessen Hof mustergueltig gefuehrt ist. Vor dem Haus Blumenbeete, eine mit Wein berankte Pergola und einige Oelbaeume. Auf dem Feld 2000 Bananenpflanzen und Huelsenfruechte. Ein tiefer Brunnen versorgt die Pumpe mit dem noetigen Wasser und sorgt so fuer ganzjaehrigen Ertrag. Es gibt noch 2 Kuehe und den Sohn plus einen Kuli als manpower – wenn das Krankenhaus so effektiv arbeiten wuerde, waeren wir nicht hier!

In den umliegenden Doerfern und Kleinstaedten wurden wir neugierig beaeugt – Weisse kommen hier nur aeusserst selten vorbei und fuer viele Inder sind wir die ersten Menschen dieser Rasse, die sie zu sehen bekommen. Entsprechend gross ist die Menschenmenge, die sich im Nu um uns versammelt und wir sind dankbar, dass Drs Horo bei uns sind und uebersetzen, denn Englisch wird hier nur von ganz Wenigen gesprochen und ist auch dann nur schwer verstaendlich – das wird in Kalkutta sicher anders sein.

Dschungelkrankenhaus Amgaon

Dschungelkrankenhaus Amgaon

Die Situation im Krankenhaus erinnert in Vielem an Tanzania und dennoch ist es natuerlich anders. Die Disziplin wie auch die Ausbildung ist deutlich schlechter, das Patientenaufkommen entsprechend gering. Enno hilft beim Ultraschall und der allgemeinen Betreuung der Patienten, ist aber im Wesentlichen damit beschaeftigt, Informationen ueber die medizinischen Ablaeufe, Finanzen, Personalsituation etc. fuer den Bericht an die Gossner Mission in Berlin zu sammeln. Sie unterstuetzen das Krankenhaus mit jaehrlich 20.000 Euro und wollen wissen, wo das Geld bleibt und welche Art von Arbeit hier geleistet wird, bzw. wie die Perspektive dieses Komplexes ist. Fraglich ist auch, ob die indische Gossner Kirche als Traeger geeignet ist – von Medizin und KH-Management haben die halt keine Ahnung und nur von Patientengebuehren kann man hier kein KH betreiben.

Abgesehen von unseren offiziellen Aufgaben geniessen wir die Ruhe dieses abgeschiedenen Ortes, freuen uns an den bunten Farben der Kleidung der Frauen und an der Schoenheit ihrer Gesichter. Die meisten Menschen hier reagieren sehr freundlich auf uns – leider kann kaum jemand Englisch, so dass die Kommunikation doch sehr begrenzt ist. Aber “Namaste” oder “Namaskar” kommt als Gruss immer gut an.

Dank Mobiltelefon, das hier selbst von den “coolees”, also den nicht ausgebildeten Landarbeitern, genutzt wird, konnten wir mit Hilfe von Alex in Ranchi unsere Weiterfahrt nach Kalkutta, Varanasi und Agra organisieren. Man muss Zugtickets gerade in der Ferienzeit (das bedeutet sogar im hinduistischen Indien auch um Weihnachten und Sylvester), Fahrkarten langfristig vorbuchen und momentan stehen wir noch auf Warteliste, aber wir sind ganz zuversichtlich, dass alles klappt.

So, das war’s fuer heute, der Strom ist gerade mal wieder ausgefallen. Wir gruessen euch aus dem warmen West Bengalen ( wir haben gehoert, dass es in Deutschland schneit und bitter kalt ist …) und sind gespannt, wie unser Weihnachtsfest ablaufen wird …

Wir sind angekommen!

Dezember 12, 2009

Indien ist sehr bunt und die Inder sehr freundlich – lasst uns gleich einmal 2 positive Allgemeinplaetze ins Netz stellen. Also nach 8 h Flug von Paris in Delhi gelandet, um 2 uhr Ortszeit im Mittelklassehotel eingetroffen und morgens um 9 wieder los. Inlandflug nach Ranchi. Top Airbus 321 (ca 200 Plaetze), Service, Platz und Essen bei Air India besser als bei Air France. Am Flughafen abgeholt von den Kirchenleuten hier und durch das Millionendorf Ranchi gefahren und heute abend noch spaziert.

Rollender Imbiss

Viele Leute unterwegs vor allem mit Raedern, Mopeds und auch Autos, Fussgaenger sind an den Strassenrand gedrueckt.

Man fuehlt sich hier abseits der Touristengebiete sehr sicher und es faellt auf, dass die Haeuser nicht von hohen Sicherheitszaeunen umgeben sind. Temperaturen sind deutschsommerlich und die Kommunikation laeuft englisch. Ausser der freundlichen Aufnahme und der Unterbringung in einem einfachen Kirchengaestehaus koennen wir noch nicht soviel sagen. Morgen sind wir Ehrengaeste bei so einer Adventsveranstaltung unter freiem himmel – soll den ganzen Sonntagnachmittag dauern: Wir sind gespannt. am Montag, 14.12. geht es eine Tagesfahrt nach Amgaon zu dem Krankenhaus, ueber das wir berichten sollen. Da von dort wohl keine Netzverbindung besteht, kann sich der naechste Eintrag etwas hinziehen!

Bald gehts los – wohin?

Dezember 6, 2009

8.12.09: Der Abflug rückt näher. Heute haben wir angefangen unsern blog bekannt zu machen, da will ich hier noch unsern Streifzug durch Indien auf der Karte erläutern: Wir fliegen von Delhi gleich weiter nach Ranchi und werden von dort aus das kleine Urwaldkrankenhaus in Amgaon besuchen bis wir Weihnachten wieder in Ranchi sein werden. Von dort geht es nach Varanasi = Benares und über Agra wieder zurück nach Delhi.

Anmerkung nach unserer Rückkehr: Wir hatten ursprünglich geplant, in dem Bundesstaat Jharkand von der Hauptstadt Ranchi aus einige Ausflüge zu unternehmen. Da hier aber Streiks angesagt waren und einige Regionen durch bewaffnete Gruppen (Naxaliten) nicht sicher waren, änderten wir die Route etwas und fuhren über Kalkutta nach Varanasi. Außerdem bauten wir von Agra aus noch einen Aufenthalt in Jaipur ein und haben die Karte angepasst:

Indien 1
Landkarten erstellen mit StepMap

StepMap Indien 1

Moin zusammen!

November 29, 2009

Wir planen eine Reise nach Indien. Am 10.12. gehts los.  Damit Ihr das verfolgen könnt, versuchen wir Euch mit einem blog auf dem Laufenden zu halten. Hier der erste Versuch! Das Bild ist vom Sommer am Ostseestrand – als die Idee zu dieser Reise noch schlummerte!

Inzwischen haben wir viele Gespräche geführt und Informationen bekommen über das Land und unser Projekt:

Wir wollen einen Blick auf das große spannende Indien werfen und insbesondere auch das kleine Urwaldkrankenhaus Amgaon im Osten des Landes besuchen. Die deutsche Partnerorganisation, die Gossner Mission,  hat mich – Enno – gebeten, den Kontakt zu stärken, aus einem medizinischen Blickwinkel die Arbeit und die Perspektive dieser Institution zu betrachten und darüber zu berichten. Wir freuen uns auf diese Möglichkeit, direkten Kontakt zu einem kleinen Ausschnitt indischen Lebens zu bekommen.

Und sonst noch?

Delhi, der Ganges als heiliger Fluss, indische Elefanten, Tempel und buntes Leben. Mal sehen was uns noch erwartet! Im Moment sind wir noch gespannt, ob der blog funktioniert!

Marianne und Enno